Um mich herum werden momentan bedeutsame Entscheidungen getroffen. Von Familiengründung (oder nicht?), Firmenwechsel (oder nicht?), Branchenwechsel (...) bis zum Umzug ans andere Ende der Republik ist alles dabei. Menschen wollen über ihren Entscheidungsprozess sprechen – und ich bin natürlich neugierig. Doch mit den Gesprächen, die in solchen Zeiten entstehen, muss man erst einmal umgehen können. Immerhin sind wir eine Generation, die statt Bestärkung oft vor allem Anweisungen bekam. Was nun?
Wir leben in einer Zeit, in der Zuhören schwierig ist. Ich bin gar nicht sicher, ob das früher anders war. Vielleicht konnten Menschen noch nie gut zuhören, vielleicht konnten es schon immer nur einige von uns. Gibt es eine Kulturgeschichte des Zuhörens? In der Gegenwart läuft es jedenfalls eher so mittelmäßig: Eine durchgecoachte Generation will kluge Fragen stellen, Hilfe zur Selbsthilfe leisten, bedeutsam sein im Leben der anderen. Das ist gut gemeint, kostet aber Energie auf allen Seiten.
Kluge Ratschläge sind aus der Mode gekommen – und das ist eigentlich eine gute Sache. Denn Ratschläge sind am Ende nur Anweisungen, mit der sich Zuhörende selbst das Gefühl geben, ein Problem gelöst zu haben – gecheckt.
Doch die Fragen sind anstrengend. Und im Schatten des Coaching-Trends verkümmert etwas, dessen Bedeutsamkeit Praxis und Forschung oft bestätigt haben: das emphatische Zuhören.
Zuhören ist schwierig, weil es unserem Aktionismus widerspricht. Vielleicht wurde das aktive Zuhören auch ein wenig deshalb erfunden. Natürlich fühlt es sich gut an, die emotionale Präsenz des Gegenübers zu spüren. Aber auch die Person, die eifrig nickt und hmhmt signalisiert sich selbst damit etwas: Ich bin da. Ich bin ein guter Mensch.
Und all die versuchte Nähe trennt uns voneinander. Vielleicht müssen wir gemeinsam ratlos sein. Auf jeden Fall müssen wir lernen, mit den Sorgen der anderen umzugehen – und mit unseren eigenen. Denn wenn du das Gefühl hast, das niemand dich versteht, dann ist das nicht unbedingt ein Fehler der anderen. Manchmal ist es nur ein Zeichen dafür, das du eigentlich bereit bist, deine eigene Entscheidung zu treffen. Du musst es nur noch machen.
Isabell
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