»Bei uns sind alle Eltern im Urlaub, wir würden dir als Externer daher gern etwas mehr geben. Gut oder?«
»Kannst du diesen Kunden übernehmen?«
»Das ist die Müller-Akte, lies dich am besten erst einmal ein.«
»Du siehst müde aus... okay, ich bin ab heute Mittag im Urlaub, können wir die Übergabe machen? Hast du was zu schreiben?«
Als Kind dachte ich, der Sommer wäre für alle Menschen eine episch lange Zeit, in der man Zeit hat und spielen geht, Eis isst, schwimmt und durch den Rasensprenger rennt. Als ich etwas älter wurde, trat das Thema »Urlaub bekommen« in mein Leben, dicht gefolgt von »Urlaubstage haben«.
Und heute weiß ich:
Urlaub hat nichts mit »weniger arbeiten« zu tun.
Und Sommer schon gar nicht. Stattdessen gibt es wirklich viele Menschen, die sich im Sommer ganz schön strecken müssen. Das beginnt schon damit, dass nicht jedes Kind bereit ist, in einen Hort zu gehen und damit selbst Familien mit zwei Elternteilen weniger Urlaubstage als Ferientage haben.
Andere schlafen schlecht, manche über Monate. Wer durcharbeitet, muss auffangen, was die anderen hinterlassen. Und genügend Zeit ist auch nicht.
Einiges davon können wir besser machen, indem wir uns gemeinsam organisieren. Und genau jetzt ist der richtige Moment, um das für sich selbst oder im Team vorzubereiten.
Dieses Whitepaper ist eine Einladung an dich, genau jetzt loszulegen. Die Sommerferien sind noch ein paar Tage hin, längere heiße Phasen auch. Du hast Zeit, das alles einzurichten und vorzubereiten.
In diesem Whitepaper schlage ich vor, wie du den Sommer strukturieren kannst. Ich schreibe etwas über Übergaben, die fair und funktional sind. Es geht um Energiemanagement nach heißen Nächten und um Arbeitsbedingungen, die tatsächlich funktionieren. Auch die Erreichbarkeit ist wichtig – was wollen wir eigentlich als Gesellschaft voneinander? Und wie können wir das wieder ändern?
Sommer hält für Erwachsene nicht, was er uns als Kinder versprochen hat. Aber gleichzeitig gilt: Wir sind die Erwachsenen. Wir können das gestalten. Wir müssen es aber auch machen. Nennen wir es Sommermanagement und lasst uns das machen.
Isabell
Dies ist ein Feierabend-Whitepaper. Es erscheint einmal im Monat und ist für Unterstützer*Innen des Projekts.
Die Inhalte dieser Ausgabe:
Lasst mich durch, ich will ins Freibad: Sommer, Sonne, Feierabend
One more thing: So sieht eine faire Übergabe aus
Wie jetzt, kein Hitzefrei? Energiemanagement an heißen Tagen
Was willst du? – und warum jetzt?
Vorschau: Dein Plan für den Rest des Jahres
Lasst mich durch, ich will ins Freibad
Sommer, Sonne, Feierabend
Was ist los mit Leuten, die es nicht schaffen, Feierabend zu machen? Diese Frage hat mich wirklich lange beschäftigt, schon von meinen ersten Jobs an. Ich erinnere mich noch, wie ich fast jeden Tag die Firma verließ, während andere konzentriert auf ihre Bildschirme starrten. Ich bewunderte sie, aber ich wollte nach Hause. Außerdem war ich fertig.
Auch privat begegnete mir dieser Unterschied bald: Menschen fanden nicht in den Feierabend. Verabredungen klappten, aber an anderen Tagen berichteten mir meine Freundinnen und Freunde, dass es bei ihnen immer später wurde. Aber warum nur?
Ändere etwas, das du ändern kannst
Arbeitsbelastung ist natürlich ein Grund dafür. Und wenn Menschen zu mir kommen, dann wollen sie oft über ihre Arbeitsmenge reden. Aber die Arbeitsmenge ist eben nicht die einzige Stellschraube – und vor allem ist sie eine, die für viele Menschen ziemlich fest sitzt.
Und warum klappt es an manchen Tagen so reibungslos mit dem Feierabend, während er an anderen nicht näher kommen mag? Junge Väter sind eine Gruppe, die hierfür besonders anfällig ist. Anfangs schaffen sie es, zu angemessener Zeit nach Hause zu kommen. Aber wenn der gefühlte Unterstützungsbedarf zu Hause sinkt (reine Einbildung, übrigens), wird es schwieriger.
Erst als Beraterin sah ich, was da los war. Es fehlte der konkrete Bedarf. Ein Abendtermin – die eigene Fußball-Runde, der Cycling-Kurs der Partnerin, die Verabredung zum Dinner – ist ein Grund, rauszukommen. Und das fällt den meisten Menschen leicht.
So strukturiere ich mit Klient*innen
Mein Ansatz in der Beratung ist daher: Wenn du ohne Abendtermin nicht rauskommst, dann brauchst du einen Abendtermin. Treff dich jeden Nachmittag um 16.30 mit deinen Kindern zum Abendplanschen im Freibad, wenn es dir hilft. Mach eine Feierabend-Runde mit den Nachbar*innen auf. Setz dich mit deiner Lieblingskollegin an einen Fluss oder such dir einen Sportkurs, der so startet, dass du rausmusst.
Feierabend ist für viele Menschen dann möglich, wenn sie einen Grund haben, ihn zu machen. Und das kann bedeuten, dass du früher anfangen musst. Aber wenn wir uns den Sommer physiologisch anschauen, dann ist das sowieso eine gute Idee. Durch das Sonnenlicht sind wir morgens früher fit. Das gilt auch für chronotypische Eulen – nur eben angepasst an ihren eigenen Rhythmus. Aber es gibt keine Menschen, die von Tageslicht müde werden. Das hat biochemische Gründe: So funktionieren unsere Hormone einfach nicht.
Auch ein Führungsinstrument kann helfen, die Arbeit nicht bis weit in den Abend zerfasern zu lassen. Wer die Parole ausgibt, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt Schluss sein soll, der tut seinem Team damit etwas Gutes. »Ich schließe hinter euch ab und glaubt mir: Ich will mit dem Feierabend hier raus«, ist ein Satz, der viel viel mehr bewirkt, als generös eine Box mit Eis zu holen.
One more thing
So sieht eine faire Übergabe aus
16 Seiten. So lang war die Übergabe, die eine frühere Klientin von mir von ihrer Kollegin bekam – per Mail. Die Kollegin hatte bereits ihr Sabbatical von drei Monaten gestartet. Und meine Klientin verbrachte Tage damit, die Übergabe zu strukturieren und herauszufinden, was wo stand, was fehlte und was wann wichtig war. Als sie sich halbwegs eingerichtet hatte, begannen schon die Beschwerden.