Der 9-to-5 Club
Wer schlauer arbeitet, hat früher frei. | Buch: Zoe Chance – Der gute Einfluss | Netzwerken: Melina Royer
Schön, dass du da bist! Aber…
Hast du nichts Besseres zu tun?
In der Regel lautet die Antwort: doch. Manche finden sich um 18.30 Uhr im Büro, wären aber lieber bei der Familie. Andere ertappen sich um die Mittagszeit dabei, Zeit zu verdaddeln.
Arbeit soll Spaß machen. Wer seinen Job mag, bringt sich ein. Menschen, die einander schätzen, arbeiten gut zusammen. Als diese Erkenntnisse aus der Forschung in die Großraumbüros sickerten, wurde Arbeit lustiger: Kickertisch, Kletterwand, Feierabend-Bier. Doch all diese Dinge fressen Zeit.
Parallel begann der Aufstieg der sozialen Netzwerke, Teams wurden ausgedünnt, der Druck stieg – und die Arbeit dauerte immer länger. Zu einem großen Teil liegt das an den Aufgaben. Aber die Arbeitskultur spielt eben auch mit rein.
Der frühe Vogel ist müde
Wer in einem solchen Umfeld produktiv sein wollte, der stand früher auf. Der »5 Uhr Club« ist kein Spleen der Vergangenheit – in meinem Umfeld kam die Debatte Mitte Januar zuletzt auf. Früh aufstehen, in Ruhe trainieren, lesen, Stillarbeit abhaken, dann Work-Life. Das hat Vorteile, kostet aber Lebenszeit. Und Schlaf.
Es muss möglich sein, dass wir während unserer Arbeitszeit arbeiten – und danach damit aufhören. Wer Arbeit und Lebensenergie in ein anderes Verhältnis setzen möchte, kann hier ansetzen:
Kernproblem 1:
Unaufmerksamkeit
Dinge dauern lange, weil Menschen ablenkbar sind. Das dient dem Überleben, kostet aber Zeit. Du kannst das ändern, wenn du dich dem, was du gerade tust, zuwendest. Es gibt keinen Trick. Mach deine Sachen.
Und red dir nicht ein, du seist »eben so« und könntest dich nicht fokussieren. Diese Ausrede steht allen zur Verfügung. Wenn du etwas Besonderes sein willst, dann mach deine Arbeit und dann mach Schluss für heute.
Kernproblem 2:
Arbeitskultur
Wenn du wirklich etwas verändern willst, dann brauchst du Verbündete. Mehr Arbeitszeit führt weder zu mehr Output noch zu höherer Qualität. Sprecht darüber und dann startet ein Projekt, um die Arbeitszeit im Team neu zu bewerten. Gelingt euch das, dann gewinnt ihr Zeit, Leichtigkeit – und Zusammenhalt.
Diese Haltung hilft: Überstunden sind kein Zeichen von Arbeitseinsatz. Überstunden sind ein Zeichen schlechter Organisation.
Wir brauchen keinen 5 AM Club von Frühaufstehenden. Wir brauchen einen 9-to-5 Club mit Leuten, die Job und Leben auf die Reihe kriegen.
Kernproblem 3:
Chaos
»Chaos war der größte Fuck-up in unserem Unternehmen«, hat Snocks-Gründer Johannes Kliesch mal zu mir gesagt (Business Insider | €). An seinen Worten bin ich hängen geblieben. Chaos kostet uns alles: Freude, Nerven, Zeit, Gesundheit.
Chaos wird weniger, wenn du drei Dinge tust:
Räum auf. Einmal im großen Stil, dann jeden Tag vor dem Lunch und vor dem Feierabend für zwei Minuten (ja: 2). Du gewinnst Zeit, weil du schneller wirst, wenn dein Umfeld dich nicht nervt.
Überleg dir, was du zu tun hast. Schaffst du das am Vorabend: super. Sonst mach es morgens und mach es in weniger als einer Minute. Und dann arbeite. Tu nichts anderes, bis das Wichtigste getan ist.
Schaff dir Strukturen. Hast du dir ein wenig Zeit verschafft, dann investier sie gewinnbringend. Ein Update für deine Tages- und Wochenstruktur hilft dir, klarer und klüger zu arbeiten.
Wer die Minute nicht ehrt
So lange der Feierabend eine Ressource ist, an der wir uns bedienen können, wird das Leben nicht besser. Wer früher frei haben will, der muss seine Freizeit wertschätzen.
Es geht nicht darum, alles schnell zu erledigen. Es geht nur darum, Aufgaben nicht mehr Zeit zuzubilligen, als ihnen zusteht. Jene Zeit, die du mit Doomscrolling, Pseudoorganisation und sinnlosen Meetings füllst, könntest du abends mit etwas verbringen, das du wirklich magst. Oder jemandem.
Arbeitszeit ist Lebenszeit. Und verdaddelte Arbeitszeit ist verlorene Lebenszeit. Die kriegst du nie zurück.
Arbeitsnachweise
Heute gibt es eine neue Folge in meinem Podcast RUSH HOUR. In »Können Mütter kluge Dinge denken?« geht es um die Abwertung von Eltern.
Zu einem ähnlichen Thema ist meine Analyse bei Business Insider (€) erschienen: »Eltern lernen, dass Zuverlässigkeit alternativlos ist. Diese Wertschätzung zu entwickeln, würde die Basis schaffen für flexiblere Arbeitsbedingungen und vielen Menschen die Angst nehmen, eine Familie zu gründen.«
Zeitgebundene Arbeitsverträge sollen vor Einkommensknicks schützen. Doch es ist okay, auch mal weniger zu arbeiten. Oder mehr. Wir brauchen Flexibilität für Arbeitnehmende (t3n).
News & Geschichten aus der Arbeitswelt
Sich hochschlafen funktioniert. Und es muss noch nicht einmal mit Führungskräften passieren, schreibt Lisa Dittrich: Sex als Karrierevorteil (Business Insider).
Die Zufriedenheit der Mitarbeitenden stand lange im Fokus. Im Silicon Valley ist man einen Schritt weiter: Kontrolle, Performance-Ranking, Entlassungen, schreibt Nadia Rawlinson (Ex-Slack) in der New York Times (€).
Burn-out ist Privatsache? Keineswegs, schreibt die Journalistin und Arbeitsexpertin Jennifer Moss. Wie Unternehmen den Stress stoppen können (Spiegel | €).
»Ohne Homeoffice wäre die Verkehrsdichte in etwa um ein Viertel höher«, hat der Soziologe Andreas Knie zu Spiegel-Redakteur Hilmar Schmundt gesagt (€).
Buch
Das beste Arbeitsbuch des Jahres 2022 hat Yale-Dozentin Dr. Zoe Chance geschrieben. In »Der gute Einfluss« (Mosaik Verlag) verrät sie, wie wir etwas ändern können, wenn wir das Gefühl haben, nichts ändern zu können. Ich habe mit ihr gesprochen, über das Gefühl von Machtlosigkeit und darüber, wie wundervoll ein ehrliches Nein ist – und zwar für alle Beteiligten.
Ich fragte: »Das Wissen um Einfluss ist ungerecht verteilt. Einige lernen schon als Kinder, wie sie sich für ihre Interessen einsetzen. Wo können Menschen anfangen, denen diese Grundlage fehlt?«
Zoe Chance: »Frag: Was bräuchte es, damit …? Diese magische Frage ist einfach, aber mächtig. Denn sie verschiebt die Dynamik eines Gesprächs weg davon, dass eine Seite ihre Interessen durchsetzen will und die andere sich dagegen wehrt. Diese Frage ist die Grundlage dafür, das Problem gemeinsam zu lösen.«
Das Gespräch ist bei Business Insider als Interview erschienen (€). Das Buch lohnt sich für alle Menschen, die Dinge verändern wollen. Auf die nette Art.
Netzwerken
Melina Royer ist Unternehmerin und Autorin und beschäftigt sich seit Jahren mit Introversion. Mit ihrem Mann und Geschäftspartner Timon Royer hat sie im Sommer das Buch »Warum du nicht perfekt sein musst« bei Ars Edition veröffentlicht.
Was ihr heute nur hier erfahrt: Sie bereitet gerade ihre LinkedIn-Strategie vor, es lohnt sich also, ihr hier schon einmal zu folgen. Bei Instagram postet sie Inspirationen, Ideen, Gedanken und Denkanstöße, die ihre Community wirklich weiterbringen. Und in ihrem Podcast still+stark erzählt sie aktuell, wie wir Ziele und Energielevel in Einklang bringen.
Vorfeierabendliebe
Mehr als ein Jahr lang guckten wir uns an, lächelten, die Stille war unangenehm und schön gleichzeitig. Wir trafen uns mal zum Kaffee und gingen einander dann wieder aus dem Weg. Dann kam die Weihnachtsfeier. Neun Monate später unser Kind. Nein, ich habe damals auch nicht gedacht, dass das gutgeht.
Dies ist die erste wirklich öffentliche Ausgabe des Feierabend-Newsletters. Ich werde jetzt manisch die Abrufzahlen checken oh habe ich das gerade laut gesagt? Also ich lehne mich jetzt total entspannt zurück und freue mich aufs Wochenende.
Was ist bei dir gerade richtig spannend? Oder nervt dich etwas? Schreib mir gern, du kannst einfach auf diese Nachricht antworten.
Isabell
Wer schreibt?
Mein Name ist Isabell Prophet. Meine Texte erschienen bereits in Medien wie Business Insider Deutschland, t3n, GEO Wissen, Spiegel Wissen, ZDFheute und im SZ-Magazin online. Bislang habe ich drei Bücher veröffentlicht, zwei mit Goldmann/Mosaik, eines in Eigenregie. Im Sommer 2023 erscheint bei Carlsen »Klartext: Social Media«.
Bei Schreibprozessen und Organisation berate ich auch. Meld dich gern, wenn du Hilfe brauchst.