30 gut investierte Minuten am Sonntag
Desorientiert zur EU-Wahl? Das sind andere auch. Aber die Zeit lohnt sich. Und hakt am besten noch jemanden unter – wir brauchen einander.
Heute überlasse ich diesen Raum Franzi von Kempis. Franzi ist Kommunikationsberaterin und Autorin des Buches »Anleitung zum Widerspruch: Klare Antworten auf populistische Parolen, Vorurteile und Verschwörungstheorien«. Sie schreibt den wöchentlichen Newsletter
, in dem sie über Rechtsextremismus aufklärt und Handlungsmaßnahmen gegen Spaltung vorstellt.Am Sonntag ist Europawahl und während ich davon ausgehe, dass viele euch sich damit schon beschäftigt haben, möchte ich eine ehrliche Wahrnehmung teilen: Das tun nicht alle. Auch mir fällt es nicht leicht, so manche Menschen in meinem Umfeld davon zu überzeugen, am Sonntag ihre Stimme abzugeben.
Da fallen Sätze wie »Warum überhaupt?«, »Das bringt doch eh nichts«, »Ich weiß eh nicht, wen ich wählen soll«.
Deshalb habe ich zusammengetragen, was ihr sagen könnt, um Vorurteile aus dem Weg zu räumen – eure eigenen und die von anderen.
»Es gehen genug Andere«
Tatsächlich ist die Anzahl der Nichtwähler*innen bei der Europawahl beträchtlich. Im Jahr 2019 gingen etwa 50 Prozent der EU-Bürger*innen nicht zur Wahl. 2014 war die Wahlbeteiligung mit rund 42 Prozent sogar noch niedriger. Immerhin: In Deutschland gaben 2019 immerhin 61 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimmen ab. Das ist aber natürlich keine Garantie für 2024. (Quelle u.A.: fr.de)
»Meine Stimme macht keinen Unterschied«
Es kann sich so anfühlen, als könne deine einzelne Stimme inmitten von Millionen wenig bewirken. Doch die Entscheidung, nicht zu wählen, hat messbare Auswirkungen. Denn: Die Parteien, die man nicht unterstützen würde, profitieren rechnerisch von den nicht abgegebenen Stimmen. Und natürlich schadet man am meisten der Partei, die man sonst gewählt hätte.
»Ich kann damit eh nicht den Rechtsextremismus verhindern«
Nicht wählen kann rechtsextremen Parteien in die Karten spielen. Diese Parteien sind oft besonders erfolgreich darin, ihre Anhänger zu mobilisieren. Mehr Infos dazu findest du auch hier. Eine Übersicht, wie rechtsextreme Parteien die EU verändern wollen, findest du hier.
»Ich weiß nicht, wen ich wählen soll«
Sich für eine Partei zu entscheiden: Das kann sich echt überfordern anfühlen. Glücklicherweise gibt es Tools, die dich durch die Wahlprogramme und/oder Parteipositionen leiten. So gewinnt man eine Übersicht – und vielleicht auch ein besseres Gefühl, wer zu einem passt.
Eine Übersicht liefert diese Seite: https://elections.europa.eu/de/
Den Wahlomaten der Bundeszentrale für politische Bildung findet ihr hier. https://www.bpb.de/themen/wahl-o-mat/europa-2024/ Es gibt dort auch eine Übersicht, wer eigentlich alles zur Wahl steht: https://www.bpb.de/themen/parteien/wer-steht-zur-wahl/europawahl-2024/
Den Sozial-o-Mat der Diakonie Deutschland findet ihr hier: https://sozial-o-mat.de/ew2024 Mit diesem Tool könnt ihr eure Positionen zu sozialen Themen der Wahl mit den Positionen der Parteien vergleichen.
Auf Wahlswiper könnt ihr ebenfalls unterschiedliche Parteipositionen vergleichen: https://www.voteswiper.org/de/deutschland/europawahl-2024
»Die Europawahl interessiert mich nicht so«
Ich kann verstehen, dass die direkten Auswirkungen eines freien Europas und einer funktionierenden EU nicht immer auf den ersten Blick erkennbar sind.
Dinge wie:
unkompliziertes Reisen
der Wegfall von Roaminggebühren innerhalb der EU
Auslandssemster
sind bekannt, aber hat nicht jede*r sofort präsent.
Doch die Bedeutung der EU geht weit darüber hinaus. Auf EU-Ebene werden Entscheidungen zum Klimaschutz oder zum verbesserten Schutz von Mädchen und Frauen getroffen. Und das geht alle alle Mitgliedstaaten an.
Rechtsextreme Parteien stellen diese langfristigen Garantien in Frage und gefährden das Fundament, das 70 Jahre Frieden und Freiheit in Europa gesichert hat. Und genau diese Parteien könnten bei dieser Wahl stärker denn je werden. Es sei denn, wir alle gehen wählen, haken am besten noch jemanden unter, der oder die es sonst nicht machen würde und setzen unser Kreuz.
Was auf dem Spiel steht, wenn wir das nicht machen, formulieren acht Holocaustüberlebende in ihrem Wahlaufruf besser als ich:
Für Millionen von Euch ist die Europawahl die erste Wahl in Eurem Leben – für viele von uns könnte es die Letzte sein. Gebt der Demokratie eine Chance. Geht wählen. Zeigen wir gemeinsam, dass 'Nie wieder' nicht nur eine Phrase ist, sondern ein Versprechen. Ein Versprechen, das auch heute gilt. Und morgen. Und für immer.
Lieben Dank an
.Und wir sehen uns in der kommenden Woche wieder. Bei mir startet gerade schon die Vorbereitung für die Sommerferien. Und natürlich habe ich einen Plan.
Isabell