Stellt dümmere Fragen!
Überall treten Expert*innen auf. Wenn sie so weitermachen, verdummen sie darüber. | Buch: Anja Schauberger – Auf der Suche nach dem Sinn | Netzwerken: Raúl Krauthausen
Wir sind umgeben von Expert*innen. Und wenn ich das so schreibe, dann bekomme ich sofort einen Ohrwurm von Farin Urlaub – iDisco: »Du bist umgeben von Idioten, lebendigen Toten,…«
Man sind wir schlau
Spürst du auch gelegentlich diesen Zwang, dich als Expert*in zu positionieren? Mir geht es manchmal so – und ich beobachte es bei vielen.
Die Folge daraus, dass jeder Expert*in sein soll: Alle wissen. Keiner fragt. Das macht Gespräche absurd unbefriedigend.
Von Raúl Krauthausen habe ich kürzlich den Begriff der Askholes gelernt: Menschen, die Fragen stellen, um ihre Reichweite zu erhöhen. Für die Antwort interessiert sich dann niemand mehr.
Umzingelt von Kopfnickern
Am Beginn meiner Laufbahn als Autorin war ich stolz darauf, mich in jeder Situation souverän dumm stellen zu können. Da ich eine Zeit lang über Astrophysik oder kommunale Neuordnung geschrieben habe, fiel mir das nicht schwer. Außerdem höre ich cleveren Menschen gern zu.
Doch selbst die Klügsten ernten oft nur noch wissendes Nicken. Jaja, wunderbar, … Kennst du das? Puh. Es nervt gewaltig. Ich will, dass man mir richtig zuhört!
Fragt nicht schlauer. Fragt dümmer.
Bei echtem Zuhören können gute Fragen aufploppen. Mit einer guten Frage machst du ein Geschenk, denn sie regt zum Nachdenken an.
Doch mit ihren Fragen unterstreichen all die Expert*innen nur ihre eigene Kompetenz. Oder sie bereiten sich selbst eine Bühne, den nächsten Monolog schon in Arbeit.
Gute Fragen funktionieren anders. Ein paar Typen:
Die Grundlagen-Frage: Du musst nicht ins Detail gehen. Geh zum Anfang. Wo fängt man an, um das zu verstehen, was der oder die andere gerade sagt?
Die 42-Frage: Was bedeutet das?
Die Hä-Frage: Kannst du das nochmal ganz einfach ausdrücken?
Die Nerv-Frage: Waruuuum?
Die Transfer-Frage: Hat die Sache Auswirkungen auf andere Bereiche? Let’s play!
Lass uns Fragen wieder eine Bedeutung geben. Nur abseits des Expert*innen-Habitus werden wir klüger – und, nunja: netter. Auch nicht ganz unwichtig.
Deine
Isabell Prophet
Expertin für Unwissenheit und Fragen, die dumm klingen und auch genauso gemeint sind.
Offene Tabs
Für mich die Job-Schlagzeile der Woche: Weder Eltern noch Kinderlose möchten nach 18 Uhr arbeiten, hat die Wissenschaft abgefragt und schreibt der Spiegel.
Den hier habe ich für eine Freundin rausgekramt und festgestellt: Mist, das betrifft mich gerade sehr. Die Angst vor dem Scheitern schadet deinem Erfolg – so bekämpfst du sie (t3n)
Buch
Ein Job mit Sinn wäre schön, oder? Aber für viele Menschen ist dieses Ziel unerreichbar. Andere denken, sie hätten es erreicht – doch während sie ihrer Arbeit Sinn geben, fehlt er ihnen im eigenen Leben.
Anja Schauberger hat ein Buch darüber geschrieben. Für »Auf der Suche nach dem Sinn« (Knesebeck) hat sie 40 Menschen interviewt, zum Beispiel Aktivistin Carla Reemtsma und Paartherapeutin Sharon Brehm.
Im Gespräch hat mir Anja erzählt, was sie bei der Sinnsuche gelernt hat:
Es gibt auch Menschen, die nicht im Berufsleben nach dem Sinn suchen. Und darunter leiden sie auch nicht. Andere merken, dass sie einen Job machen, den sie nicht mögen. Aber sie müssen das Geld verdienen. Auch eine Arbeit, die sich sinnlos anfühlt, kann Bedürfnisse erfüllen. Vielleicht macht jemand tagsüber seinen Job, geht nach Hause und dann fängt das echte Leben an.
Das Interview ist bei Business Insider Deutschland (€) erschienen. Lies dieses Buch, wenn du wissen willst, wie andere Menschen mit der größten Frage unseres Lebens umgehen – ich habe unglaublich viel gelernt. Auch über mich selbst.
Netzwerken
Raúl Krauthausen ist Aktivist für Inklusion, Barrierefreiheit und soziale Gerechtigkeit. Seit vielen Jahren setzt er sich unter anderem dafür ein, dass behinderte Menschen selbstbestimmt leben können. Im März erscheint sein neues Buch »Wer Inklusion will, findet einen Weg. Wer sie nicht will, findet Ausreden« bei Rowohlt.
Bei Instagram erzählt er als @raulkrauthausen aus seinem Alltag und gibt den Projekten anderer Menschen Reichweite. Bei LinkedIn schreibt er über Themen der Inklusion und du bekommst Updates zu seinen Projekten, zum Beispiel aus den Podcasts »Die Neue Norm« und »Im Aufzug« oder aus dem Verein Sozialheld*innen. Bei Twitter findest du ihn als @raulde.
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Nicht so einfach, nein
Wie geht es dir eigentlich mit dem Neinsagen? Ich schreibe demnächst einen Artikel darüber. Oft denke ich mir: Neinsagen können wir doch jetzt alle. Und dann merke ich, dass es mir selbst nicht immer gelingt. Wie ist das bei dir? Du kannst einfach auf diese Mail antworten, ich würde mich freuen.
Isabell
Wer schreibt
Mein Name ist Isabell Prophet, ich arbeite als Journalistin, zum Beispiel für t3n, Business Insider und ZDFheute. In »Das Eltern Zeit Buch. Mehr Freiraum, mehr Glück, mehr Leben im ersten Babyjahr« bringe ich meine Erfahrungen aus der Elternzeit mit meinem Fachwissen über Zeitmanagement, positive Psychologie und moderne Arbeit zusammen.
Kann ich dir bei einem Schreibprozess helfen? Dann melde dich gern.
Meine Lieblingsfrage aus Deiner Liste ist die Transfer-Frage. Sie bietet so grosses Potential für neue Verbindungen und Ideen. Danke für diesen Beitrag. Wenn ich ein gutes Gespräch führe, kläre ich meine Gedanken. Ich räume meinen Kopf auf und finde damit in meine innere Ruhe und mein (Selbst-)Bewusstsein zurück. Fragen sind die Basis guter Gespräche.